Stadt Ditzingen

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Andreas von Renner

1814 – 1898

Württ. Finanzminister, Ehrenbürger von Ditzingen

Ende 2022 beschloss der Gemeinderat, dem Vorplatz des Ditzinger Bahnhofs den Namen „Andreas-von-Renner-Platz“ zu geben und würdigte damit die Lebensleistung des ersten Ditzinger Ehrenbürgers, der nach einer beispiellosen Karriere als Abgeordneter, ranghoher Beamter und zuletzt württembergischer Minister der Finanzen Politik und Verwaltung des Landes viele Jahrzehnte an entscheidender Stelle mitgestaltet hat.

Geboren am 28. September 1814 als Sohn des Metzgers, Adlerwirts und Gemeinderats Johann Gottfried Renner (1782-1833), besuchte Andreas Renner die Schule in Ditzingen, Korntal und Stuttgart, ehe er das Studium der Kameralistik an der Universität Tübingen aufnahm. 1837 trat er in die staatliche Finanzverwaltung. Seit 1846 war er im Ministerium beschäftigt. Ende November 1851 wurde er mit der Geschäftsführung der Forstabteilung in der Oberfinanzkammer beauftragt.

Bei der Nachwahl für den verstorbenen Abgeordneten Adolf Schoder bewarb er sich 1853 erfolgreich um ein Mandat in der zweiten Kammer der württ. Landstände. An den Verhandlungen des Parlaments nahm er vor allem bei Finanzfragen teil. Da der Landtag im Oktober 1855 nach Differenzen um die Entschädigung des Adels für seine verlorenen Grundherrenrechte aufgelöst wurde, schied Renner schon nach etwas mehr als zwei Jahren wieder aus. Im Dezember 1856 wechselte er in die Forstabteilung der Oberfinanzkammer und wurde nach deren Verselbständigung als Forstdirektion 1858 zum Leiter ernannt, womit er die Verantwortung für sämtliche Staats-, Stiftungs-, Gemeinde- und sonstigen Körperschaftswaldungen mit einer Gesamtfläche von rund 56.700 Hektar hatte.

Im September 1864 wurde Renner provisorisch mit der Leitung des Finanzdepartements betraut und ein Jahr später zum etatmäßigen Finanzminister ernannt. Damit unterstanden ihm auch die Domänendirektion, die gesamte staatliche Hochbauverwaltung (mit Ausnahme der Verkehrsanstalten), die Forstdirektion, der Bergrat (Verwaltung der staatlichen Hüttenwerke und Salinen), das Steuerkollegium, die Oberrechnungskammer und Staatskassenverwaltung sowie das statistisch-topographische Büro (ab 1885: Statistisches Landesamt). Zu den wichtigsten Projekten seiner Amtszeit gehörten die Ablösung der Komplexlasten (d. h. der auf den Gutskomplexen ruhenden Lasten für öffentliche Bauten), die Reform der älteren direkten Steuern aus Grundeigentum, Gebäuden und Gewerben und die Neuordnung des Bankensektors. Der stark verschuldete und durch den rasch voranschreitenden Eisenbahnbau zusätzlich belastete Staatshaushalt erschwerten seinen Amtsantritt. Nach dem Ausbruch des Deutschen Kriegs im Sommer 1866 wurden öffentliche Bauten zunächst zurückgestellt und die verfügbaren Mittel für die Bedürfnisse des Militärs eingesetzt. Renner, der die Eisenbahn als Rückgrat des Wirtschaftslebens und eine Investition in die Zukunft erkannte, setzte sich beim König trotz der Kriegslasten für den weiteren Ausbau ein. In diese Zeit fällt etwa der Bau der Württembergischen Schwarzwaldbahn, die 1868 auch den Bahnanschluss für Ditzingen brachte.

Mit der Einführung des Deutschen Allgemeinen Handelsgesetzbuchs leitete die Regierung 1865 die Reform des Bankensystems in Württemberg ein und schuf die Voraussetzung für Gründung der Württ. Hypothekenbank (1867), der Württ. Depositenbank (1868) und der Württ. Vereinsbank (1869). Durch Gesetz vom 24. Juli 1871 entstand in Württemberg auch eine zur Ausgabe von Banknoten ermächtigte Notenbank.

Der Krieg von 1870/71 bedeutete eine erneute Belastung der Staatsfinanzen. An den Versailler Verhandlungen über den Beitritt Württembergs zum Deutschen Bund im September 1870 nahm Renner nicht selbst teil. Dennoch war er nicht untätig und äußerte seine Vorbehalte gegen zu weitgehende Zugeständnisse im Besteuerungsrecht. Auch in die Verhandlung über den Eisenbahntarif und das Postmonopol bei der Paketpost schaltete er sich direkt ein. Die französische Kriegskostenentschädigung von rund 85,5 Millionen Mark floss nach Deckung der allgemeinen Kriegskosten in weiten Teilen in den Verteidigungshaushalt, aber auch in Infrastrukturprojekte (Straßenbau, Verbesserung der Wasserversorgung der Stadt Stuttgart) und öffentliche Bauten. Zu den wichtigsten Neubauten in Renners Amtszeit gehören in Stuttgart das 1944 zerstörte Justizgebäude in der Urbanstraße, das Realgymnasium (heute Dillmann-Gymnasium), die Landesbibliothek, das Landesgewerbemuseum und Gebäude für die Polytechnische Schule, ferner das Palmenhaus des Botanischen Gartens, das Physikalische, Physiologische und Pathologische Institut der Universität Tübingen, das Tübinger Klinikviertel mit medizinischer, Frauen- und Nervenklinik oder Um- und Neubauten in der Heilanstalt Schussenried. Als Anerkennung für den umfassenden Ausbau des Staatsbads Wildbad erhielt Renner dort 1885 die Ehrenbürgerwürde.

Für den wachsenden Finanzbedarf für den Eisenbahnbau, die Ablösungsgesetzgebung und die Gewerbe- und Freizügigkeitsgesetzgebung brachte Renner eine Neuregelung des Besteuerungsrechts auf den Weg. Mit dem am 28. April 1873 vom König unterzeichneten Gesetz, das dem Bürger einen für damalige Verhältnisse beachtlichen Rechtsschutz gewährte, erhielt Württemberg erstmals moderne Besteuerungsgrundsätze. Neue Normen schuf er auch im Bereich der Waldbewirtschaftung durch Beseitigung störender Lasten, die Neuordnung des Gemeindeforstwesens, und ein neues Forstpolizei- und Forststrafgesetzes. Durch den Eisenbahnbau und den rasant steigenden Holzbedarf für technische Zwecke stiegen die Erträge des Waldes damals massiv an. Unter Renners „kluger und umsichtiger Leitung“ vollzog sich der Übergang der Staatsforstverwaltung von der Brennholz- zur Nutzholzwirtschaft. Ein zeitgemäßes Berggesetz nach preußischem Vorbild (Aufhebung des bisherigen staatlichen Bergregals und Einführung der Bergfreiheit, 1874) förderte auch den Bergbau im Land.

Renners rastloser Einsatz wurde schon zu Lebzeiten durch zahlreiche Auszeichnungen gewürdigt. Bereits 1856 erhielt er das das Ritterkreuz des Ordens der württembergischen Krone, verbunden mit der Erhebung in den persönlichen Adelsstand. Seit Juli 1861 war er lebenslängliches Mitglied der Kammer der Standesherren. Die Staatswissenschaftliche, naturwissenschaftliche und medizinische Fakultät der Universität Tübingen verliehen ihm die Ehrendoktorwürde. Anlässlich seines 50-jährigen Dienstjubiläums 1887 wurde er zum Ehrenbürger der Stadt Stuttgart und der Gemeinde Ditzingen ernannt. Aus gesundheitlichen Gründen trat Renner im Oktober 1891 von seinem Ministeramt zurück. Kurz zuvor war König Karl von Württemberg verstorben, dem er während seiner gesamten 27-jährigen Regierungszeit als Finanzminister gedient hatte. Seinen Ruhestand verbrachte er in Stuttgart, wo er am 8. Dezember 1898 starb und auf dem Pragfriedhof seine letzte Ruhestätte fand.

Zum Weiterlesen: Manfred Spöhr: Andreas Renner. In: Lebensbilder aus Schwaben und Franken 14 (1980), S. 288-316