Theodor Heuglin
1824 - 1875
Forschungsreisender und Ornithologe
Seine in mehr als 170 Publikationen niedergelegten Forschungsergebnisse und Reiseberichte aus Nordost-Afrika machten ihn international bekannt: Theodor Heuglin gehört zu den Pionieren der wissenschaftlichen Afrikaforschung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bevor koloniale Macht- und Wirtschaftsinteressen in den Vordergrund rückten, widmete er sich der Naturkunde der bereisten Länder; seine Leitungen auf dem Gebiet der Zoologe, besonders der Ornithologie sind bis heute unbestritten.
Heuglin wurde am 20. März 1824 als Sohn des Pfarrers Ludwig Friedrich Heuglin (1797-1846) im alten Hirschlander Pfarrhaus geboren. Er erhielt nach dem Besuch des Stuttgarter Gymnasiums eine technische Ausbildung an der „Wissenschaftlichen Bildungsanstalt“ der Gebr. Paulus auf dem „Salon“ in Ludwigsburg, wo der Ornithologe Christian Ludwig Landbeck zu seinen Lehrern gehörte. 1842/43 bezog er das Polytechnikum in Stuttgart. Auf die praktische Vertiefung seiner Kenntnisse, u. a. bei den Württembergischen Eisenwerken in Königsbronn, folgte eine erste Beschäftigung als Hüttenverwalter bei der Fürstlich Fürstenbergischen Amalienhütte bei Donaueschingen. In der eintönigen Bürotätigkeit fand er aber keine rechte Befriedigung. Der ihm befreundete Baron Johann Wilhelm von Müller, der Alfred Brehm nach Afrika begleitet hatte, brachte ihm den „schwarzen Kontinent“ erstmals näher. Heuglin entschloss sich zur Aufgabe seiner Stellung, begab sich nach Wien und erlangte als korrespondierendes Mitglied der österreichischen Akademie der Wissenschaften den Auftrag zu einer ersten Forschungsreise nach Ägypten und in das peträische Arabien, die Küstenlandschaft der arabischen Halbinsel entlang des Roten Meeres. Im Mai 1852 wurde er Konsulatssekretär am österreichischen Konsulat in Khartum und gelangte als Begleiter des Konsuls Konstantin Reitz bis nach Abessinien. Die naturhistorischen und geografischen Ergebnisse dieser Reise veröffentlichte er später in seinem Werk „Reisen in Nord-Ost-Afrika. Tagebuch einer Reise von Chartum nach Abyssinien“ (Gotha 1857).
1853 an Stelle des verstorbenen Reitz zum Verwalter des Konsulats ernannt, bereiste er den Weißen Nil und die sudanesische Provinz Kordofan. Nach seiner Rückkehr nach Europa stellte er die erste systematische Übersicht der Vögel Nordostafrikas mit 754 Arten zusammen. Anfang 1856 besuchte er erneut den Ostsudan. Er untersuchte die Bajudasteppe und bereiste 1857 die Küstenländer des Roten Meeres. Von Ende 1858 bis Ende 1860 hielt er sich in Europa auf, ordnete seine Sammlungen und beschrieb seine Reisen. 1860 wurde er mit der Leitung einer Expedition betraut, die das Schicksal des verschollenen Afrikaforschers Eduard Vogel aufklären sollte. Im April 1862 traf er den abessinischen Kaiser Téwodros II., zu dem er schon auf seiner ersten Reise Kontakte angeknüpft hatte. In Khartum schlossen sich Heuglin und sein Begleiter, der Botaniker und Geologe Hermann Steudner, einer Expedition der niederländischen Abenteurerin Alexine Tinné und ihrer Mutter zum Bahr-el-Ghazal an. Im September 1864 kehrte er nach Europa zurück. Die Ergebnisse der letzten Reisen veröffentlichte er in seinem Werk „Die deutsche Expedition in Ostafrika 1861 und 1862“ (Gotha 1864).
Gemeinsam mit dem Grafen Karl v. Waldburg-Zeil (der die Expedition auch finanzierte) bzw. dem norwegischen Schiffskapitän und Autor Jacob Melsom unternahm Heuglin 1870/71 Reisen nach Spitzbergen und auf die russische Insel Nowaja Semlja. Die Expedition erzielte Forschungsergebnisse auf kartographischem und nautischem Gebiet und brachte unter anderem Aufschluss über die Strömungs- und Eisverhältnisse in diesem Teil des Nordmeers.
Auf seiner fünften und letzten Afrikareise bereiste Heuglin 1875 noch einmal das Gebiet der Beni Amer (Beja) im Ostsudan. Verhandlungen mit dem ägyptischen Vizekönig Ismael Pascha über eine wissenschaftliche Anstellung kamen nicht zum Abschluss. Während der Vorbereitungen für eine weitere Reise zur Insel Sokotra im Golf von Aden starb er in Stuttgart. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Stuttgarter Pragfriedhof. Seinen heute noch erhaltenen Grabstein schmückt ein Porträtmedaillon des Erzgießers Wilhelm Pelagrus.
Schon 1855 war Heuglin mit dem Orden der württembergischen Krone ausgezeichnet worden (verbunden mit der Erhebung in den persönlichen Adelsstand). Seit 1860 war er Mitglied der Akademie der Naturforscher Leopoldina. Trotz dieser persönlichen und wissenschaftlichen Anerkennung seiner Leistungen blieb ihm die angestrebte Anstellung in einem Museum zeitlebens versagt. Seine Bedeutung liegt in seiner Tätigkeit als Naturforscher; umfangreiche Sammlungen von Vögeln und Säugetieren befinden sich heute im Museum für Naturkunde in Stuttgart und im Naturhistorischen Museum in Wien. Im deutsch- und englischsprachigen Raum sind zehn Vogel- und drei Säugetier-Taxa nach ihm benannt, darunter die Heuglin-Trappe (Neotis heuglini) und die im Drei-Länder-Ecke von Äthiopien, Erythrea und dem Sudan beheimatete Heuglin-Gazelle (Eudorcas tilunora). Der nördlichste Punkt der Insel Edgeøya im Spitzbergen-Archipel heißt heute Kap Heuglin. In Sabine-Land auf Spitzbergen ist der Gletscher Heuglinbreen nach ihm benannt. Zudem trägt der Mount Heuglin im Northern Territory von Australien seinen Namen.
Zum Weiterlesen: Walther Bacmeister: Theodor Heuglin, Forschungsreisender, 1824-1876. In: Schwäbische Lebensbilder 5 (1950), S. 396-423. – Wilfried Schmid: Der einsame Naturforscher und Reisende. Zum 200. Geburtstag von Martin Theodor von Heuglin. In_ Schwäbische Heimat 4/2023, S. 48-53.